Mittwoch, 16. Juli 2008

Clásicos in Chile


Lateinamerikanischer Fußball wird allgemein als trickreich und leidenschaftlich beschrieben. Die Stars in den europäischen Topteams vermitteln dieses Bild, die Realität ist leider etwas grauer. Miese Kicks sind unvermeidbar und die Stimmung in den Stadien ist ebenso kein permanentes Feuerwerk, dennoch müssen auch im Süden der Welt die TV-Kanäle die Wahre Fußball möglichst spektakulär verkaufen. Die Fernsehkommentatoren haben daher eine besondere Beziehung zur Übertreibung entwickelt. Möglichst jede Begegnung wird zum Clásico hochgejubelt, die Aufeinandertreffen der beliebstesten Mannschaften des jeweiligen Landes sind sogar Superclásicos.
Wer will, kann rund um die Uhr Reportagen über das Thema, Shows mit Profikickern und natürlich diverse Partien sehen. Latino-Pendants zum DSF-Doppelpass gibt es täglich zu bewundern und der Zuschauer fragt sich, woher die ganzen Themen stammen. Bevor in Argentinien die Boca Juniors gegen River Plate auflaufen, zeigen Fox Sports und die Konkurrenz zwei Wochen lang als Vorgeschmack alle Tore, Fouls, Freistöße, Auswechslungen, Einwürfe, Abstöße und Ecken der vergangenen 1896 Spiele. Bei der Überflutung der Bilder geht schnell der Überblick verloren, wann überhaupt die aktuellen 90 Minuten übertragen werden, zumal nach dem Abpfiff die Analysen und Vergleiche mit den vorherigen Superclásicos beginnen.
Auch Chile hat seinen Superclásico zwischen dem Rekordmeister Colo-Colo und La Universidad de Chile. Auch im Vorfeld dieses Spektakels überschlagen sich die Medien mit Meldungen über jede noch so kleine Unwichtigkeit der beiden Mannschaften. Der Vergleich der beiden populärsten Vereine des Landes ist der einzige wirklich große Zuschauermagnet in der kränkelnden Liga, ausverkauftes Haus und Millionen vor den Bildschirmen sind garantiert. Am 18. Oktober steht der nächste Vergleich an.
Doch die Liga besteht nicht nur aus den beiden Dauerrivalen, sondern auch aus ziemlich grauen Mäusen wie O’Higgins, Audax Italiano, Coquimbo, Puerto Montt. Der Zuspruch ist gering, dennoch muss das Fernsehen das Interesse wecken. Paarungen von Audax Italiano gegen Palestino oder Union Española werden dann kurzerhand zu Clásicos der Kolonien ernannt. Im Stadion verlaufen sich dann trotzdem nur 2000-3000 Zuschauer. Die Teams der Kupferminenarbeiter von Cobresal und Cobrela treffen im Clásico del Cobre del Norte aufeinander, dem Rest des Landes ist es ziemlich egal.
Vielmehr als das einheimische Gekicke zeigen die TV-Sender Fußball aus Europa, wobei keineswegs nur die Topduelle von Real Madrid, Barcelona, Chelsea oder Bayern München gezeigt werden. Manchmal flimmert 96 ohne die Münchner über den Bildschirm und muss den potenziellen Zuschauern schmackhaft gemacht werden. Das Heimspiel gegen Wolfsburg wird deshalb zum Clásico de la Region Baja-Saxonia ernannt. Es sei den Reportern verziehen den Erzrivalen der Roten nicht zu kennen.
Am Samstagnachmittag findet im Stadion „Las Higueras“ ein „Clásico Penquista“ statt: Huachipato aus Talcahuano trifft auf Universidad de Concepción. Es ist ein Nachbarschafftsduell, doch Huachipatos wahre Spezies dürfen derzeit weder kicken, weil Deportes Concepción die Lizenz entzogen wurde, oder sind wie Fernandez Vial in der zweiten Liga. Der Universitätsverein ist daher nur ein etwas attraktiverer Gegner und 7.000 Zuschauer werden erwartet.

1 Kommentar:

  1. Der Clásico del Cobre interessiert noch nicht mal die Menschen im Norden, meist kommen nach El Salvador trotzdem nur höchstens 700 Personen. Ist ja auch kein Wunder, El Salvador ist wohl die kleinste Stadt eines Erstligisten in ganz Südamerika.
    Mit Cobresal geht es ja sowieso bergab - sportlich läufts nicht rund und die Stadt wird wohl nicht mehr lange existieren, weswegen ja schon ein Umzug nach Santiago oder in eine andere Stadt in Erwägung gezogen wird..

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