Sonntag, 22. Februar 2009

Borussia Mönchengladbach - 96


„Señora Rodriguez, reichen Sie mir bitte doch die Zahlen aus Deutschland rein“, verlangte Angelo von seiner Sekretärin. „Sofort, Chef“, erwiderte sie und kam mit einem Ausdruck in das Büro. Der Direktor warf sofort einen Blick auf das Papier. Er las laut: „BMG 3 – H96 2, desweiteren 13. 96 21P sowie 18. BMG 16P.“ Angelos Kopf wurde rot wie ein 96-Trikot, weshalb er cholerisch brüllte : „Mit diesen Zahlen kann ich nicht arbeiten.“ Diese Ergebnisse seien schlimmer als das Verhauen der eigenen Mutter, schrie er laut. „Chef, warten Sie doch die nächste Woche ab“, versuchte ihn seine Sekretärin zu beruhigen und versprach Besserung. Ihr Vorgesetzter sagte kein Wort mehr, sondern ging zur Tagesordnung über: „Kaffee, aber stark!“

Sonntag, 15. Februar 2009

Cottbus und Stuttgart


Gut gelaunt tippte Pedro auf seinem Bierglas. Sollte er noch eines bestellen? Verdient hatte er es. Das Wetter war sonnig, er hatte frei von jeglichen Verpflichtungen Zeit für sich. Vormittags gab es ein spannendes Fußballspiel zu sehen und nun sollte gemütlich der Tag vertrödelt werden. Bundesliga schaute Pedro besonders gerne, weil er unter anderem Hannover 96 mochte und in Deutschland immer viele Tore fallen. Er wurde von der Partie gegen den VfB Stuttgart nicht enttäuscht: 3:3, da gab es für ihn nicht viel zu beklagen. In der Vorwoche nach der 1:3-Niederlage bei Energie Cottbus war das anders.

„Na, hast du dir heute wieder ein Spiel, das sonst keiner guckt, angeschaut?“, fragte ihn Francisco, als dieser in der Ecke sitzend entdeckte. „Ja, wieso?“, wollte Pedro wissen und bedauerte in Gedanken diesen Moment: Francisco, ausgerechnet dieser Pseudoexperte! Sein Kumpel sprach für gewöhnlich stolz von Colo-Colos Siegen, aber hatte von Fußball eigentlich keinen blassen Schimmer. Pedro befürchte, dass er sich wieder eine der Heldengeschichten des chilenischen Rekordmeisters anhören musste. Er hingegen hatte die Angewohnheit, ausgerechnet die Mannschaften und Spiele diverser Ligen zu verfolgen, über die nur selten etwas zu erfahren war. Er war der Meinung, dass sich im Unbekannten wahre Klasse verstecke, deshalb bezeichnete er sich auch als 96-Fan.

„Dein Hannover hat heute wieder nicht gewonnen!“, stellte Francisco fest, nachdem er zufällig die Fußballergebnisse aus Deutschland aufgeschnappt hatte und nun Sachverstand vortäuschen wollte. Pedro gönnte sich noch ein Bier und reagierte nicht auf die Bemerkung. „Dein deutscher Klub hat heute nicht gewonnen“, wiederholte Francisco. „Wieder einmal nicht!“, fügte er hinzu. „Ja, schlimm“, Pedro versuchte das Gespräch abzuwimmeln, doch der ungebetene Gast lies nicht nach. „Hast du mir nicht erzählt, deine komische deutsche Mannschaft werde Europas Spitze?“

Das Thema sollte nicht angeschnitten werden. Tatsächlich war Pedro vor der Saison zeitweise überzeugt, dass seine Roten, die in Santiago keiner kannte, endlich einmal international spielen würden. Er wird auch in der kommenden Saison darauf verzichten müssen, was ihn letztlich nicht überraschte: „Weißt du, Francisco, 96 wird eigentlich immer Elfter und das ist nicht schlecht.“ „Aber auch nicht gut“, entgegnete ihm sein Tischnachbar und behauptete, die Mannschaft werde wegen des Stillstands versteinern und zum Fossil mutieren. „Das vermeidet der Verein mit seiner Taktik gerade“, meinte Pedro. Dadurch, dass die Konstanz fehle, bleibe alles in Bewegung und die gelegentliche Abstiegsangst halte das Herz am Laufen. Ein spannendes 3:3 wie an diesem Tag füge sich das bestens ein, so Pedro. Am Ende würde dann ein aufregender 11. Platz herauskommen. "So ein Quatsch!", kommentierte Francisco und orderte noch eine Flasche Bier, um nicht selbst zu versteinern.

Montag, 2. Februar 2009

96 - Schalke


"Der Braunschweiger, der!", fluche ich über einen Autofahrer, der mir auf den Straße nach Santiago den ganzen Schwung rausnimmt. Meine Frau wundert sich längst nicht mehr über diese denkbar fiese Beleidigung. Sie hat sich daran gewöhnt, dass ich mir unliebe Mitmenschen als BTSV-Fans oder ähnliches bezeichne, so auch jenen Mann mit drittklassigen Fahrkünsten. In diesem Fall ist eine Verbindung sogar vorhanden. BS steht auf dem Nummernschild, mit dem man in Chile nicht die Herkunft sondern das Zulassungsjahr bestimmen kann.

Es ist Samstag. Anstatt wie gewohnt im Internet oder TV die Bundesliga zu verfolgen, sitze ich vormittags am Steuer. Irgendwie ist es ein bisschen wie früher in Deutschland, am Wochenende wird das Land durchquert, deshalb ist es auch mein Ziel vor 15 Uhr in Santiago anzukommen, wenngleich ich gar nicht ins Stadion gehen werde. Alle Hauptstadtklubs treten auswärts bzw. gar nicht an.
Ich trage ein 96-Trikot und höre "96- Alte Liebe", während ich meiner Beifahrerin ausmale, welch Schützenfest die Roten ab 11.30 Uhr Ortszeit veranstalten würden. Fest überzeugt, dass Hannover in der Rückrunde Fußballdeutschland überraschen wird, erfährt sie so von dem Spielverlauf. Meine Frau stellt die Ohren auf Durchzug: "Du kannst gerne rumspinnen, aber ich muss nicht zuhören, ja?" Mein Biorhythmus lässt mich samstags nur über 96 reden, das ist mir angeboren. Immerhin gluckst und brabbelt mein Sohn hin und wieder zustimmend.

Unterwegs überholen wir zahlreiche Fanbusse von Colo-Colo, gefüllt mit Hinchas aus der Provinz auf dem Weg nach Talca, wo der Meister zum Saisonauftakt gegen Curico antritt. Eigentlich ist das wie in der alten Heimat bei Spielen von Bayern München: das Land fährt zur Nummer 1. Übergroße Fahnen flattern aus den Fenstern im Fahrtwind. Innendrin scheint die Stimmung gut zu sein, denn die meisten Mitfahrer springen und hüpfen. Die Polizei begleitet das Spektakel. Erinnerungen an und Sehnsucht nach Auswärtskicks von 96 werden wach. Energie Cottbus bei schlechtem Wetter - da wäre ich wirklich gerne dabei. Solche Spiele haben mir immer gefallen. Ich tausche gerne gegen einen sonnigen Tag am Meer.

Gegen 11:38 Uhr überholen wir ein Auto mit dem Kennzeichen GE - 196. Zufall? .Mein Sohn meldet sich schreiend zu Wort. Ein gutes Omen. Das Ergebnis nur fühlend, aber nicht wissend ist mir klar, dass 96 führt. Schade, dass NDR nicht in chilenischen Radios zu hören ist. Bundesliga hörend an Vulkanen und Andengipfeln vorbeizusausen, hätte einen gewissen Reiz.

Ich sehe keine GE-Kennzeichen mehr, aber überhole locker nochmal BS. Es ist einfach ein Zweiklassenunterschied zwischen uns. Auf Radio Bio-Bio wird später sogar ein Ergebnis aus Deutschland genannt, leider nur von Bayer Leverkusen, das Arturo Vidal im Kader hat. Es ist Zeit, dass 96 einen Chilenen verpflichtet.