Samstag, 8. November 2008

Was alles fehlt: Werder, Hertha, Hamburg und die Kölner



“Hola Lucho! Soviele Monde sind vergangen, seit wir uns zum letzten Mal gesehen haben.“ „Wie wahr, wie wahr! Ich bin unterwegs gewesen“, erklärt Lucho dem freudigen Grüßer seine Abwesenheit. Dieser will natürlich sofort wissen, wohin es den alten Freund verschlagen hatte. Ganz unten im Süden sei er gewesen, um sich endlich einmal Chiles untere Hälfte anzuschauen. „Ich kann meinen Neid nicht verbergen“, gesteht ihm Pedro und fragt nach einem Resümé. „Natürlich großartig, doch das kurioseste war der Typ, der gerade mit mir die Bierflasche leert“, antwortet Lucho und zeigt auf einen deutschen Rucksacktouristen mit auffälligem Durst. „Es ist die sechsundneunzigste Flasche“, bemerkt jener nur. „Siehst du, damit fängt das Drama schon an“, meint Lucho. „Das ist übrigens Volker.“

Die beiden haben sich in Puerto Natales kennen gelernt. Die patagonische Stadt ist Ausgangspunkt für alle Besucher des Nationalparks „Torres del Paine“, den sowohl Lucho als auch Volker besichtigen wollten. In einem kleinen Restaurant kamen sie ins Gespräch, nachdem Lucho erkannte, dass der deutsche Fußballfan sei. „Es war ein Fehler ihn auf die Bundesliga anzusprechen“, bedauerte er später.

Sie unterhielten sich dennoch prächtig und da sie beide dasselbe Reiseziel hatten, beschlossen die den Naturpark gemeinsam zu durchqueren. Es war eine beindruckende Tour durch eine einmalige Landschaft, über der die schneebedeckten Gebirgstürme majestätisch thronen. Neun Tage gab es nur die reine Natur mit rauschenden Flüssen, glasklaren Seen, vielen Tieren und sogar einem relativ milden Wetter für den Südzipfel Chiles. „Weißt du, man hätte es alles problemlos genießen können, wenn nur Volker nicht diesen Fußballfanatismus hätte“, beklagt sich Lucho lachend bei seinem Freund.

Als die beiden gerade ihre zweite Tageswanderung hinter sich hatten, war Volker verzweifelt auf der Suche nach einer Funkverbindung für sein Handy. Er wollte unbedingt wissen, wie Hannover 96 gegen Werder Bremen gespielt habe. Lucho beschreibt zwei Wochen später, wie nervös der Begleiter deshalb gewesen wäre. Geradezu fassunglos war Volker mit seinem fehlendem Wissen. „Ich hätte ihn vielleicht einfach k.o. schlagen sollen“, so Lucho.

Er glaubte jedoch, dieser Wahn hätte mit dieser Erfahrung bereits gegeben, doch wurde beim Anblick des Gletscher Greys vier Tage später eines besseren belehrt. „Mist, hier finde ich das 96-Ergebnis gegen Berlin wohl auch wieder nicht raus“, kommentierte Volker beim Anblick des Naturwunders. Lucho verwirrte die Fußballliebe endgültig. Er selbst war von den Eismassen fasziniert und dachte kein bisschen an irgendwelchen müden Kicks fernab in Deutschland.

Doch es steigerte sich noch. „Am Samstag mussten wir dann unbedingt 96 Steine in einen See schmeißen, weil Volker davon überzeugt war, dass seine Roten somit gegen Hamurg gewinnen würden“, erinnert sich Lucho. Er nahm es mit Humor, da er zu gerne Steinchen übers Wasser springen lies. Die Verwunderung über seinen Mitreisenden war erneut gewachsen. Für Volker gab es Hannover 96 einfach überall. Selbst die atemberaubende Kulisse konnte seine Gedanken an den Spieltagen nicht ändern. Wie gut, dass sie vor der Partie gegen den 1. FC Köln wieder in Santiago waren. So verabredeten sie sich zum gemeinsamen Fußballgucken.

Während nun 96 erneut einen Auftritt verpatzt, sitzen die beiden in einer Sportbar in Bella Vista und trinken sich die Begegnung schön. Trotz Alkoholkonsums ist Lucho entsetzt: „Pedro! Da hat dieser Deutsche tagelang Skandale wegen seiner Lieblingsmannschaft veranstaltet und dann stellt sich heraus, dass sie eine Gurkentruppe ist.“ Die 1:2-Niederlage macht aus dem Chilenen keinen Fan.