Montag, 17. Januar 2011

Über Frankfurt in die Champions League


Es ist wirklich gut, dass Borussia Dortmund der Konkurrenz aus Hannover längst enteilt ist. Meister werden aller Voraussicht nach die Schwarzgelben und erleichtern dadurch meine Reiseplanungen. Es würde mir schwer fallen mich zwischen einem Flug zur letzten Heimpartie der laufenden Serie oder dem ersten Auswärtskick von 96 in der Champions League zu entscheiden. Beides lässt das Budget leider nicht zu.

Seit Einführung der Champions League ist der zweite Platz aber etwas wert. So war die Freude natürlich groß, als 96 erneut sein lateinamerikanisches Fernsehpublikum verwöhnte. Unverhofft steht es plötzlich ein weiterer Transatlantikflug in diesem Jahr bevor. Die Roten unter Europas Besten darf ich mir nicht entgehen lassen. Nichtsdestotrotz habe ich mit der Meisterschale aus dem kicker-Sonderheft auf meinem Balkon das Jubeln geprobt. Mein Apartment ist sowas wie eine 96-Botschaft auf dem Kontinent, weshalb ich die örtliche Meisterfeier organisieren werde. Falls die Roten tatsächlich den BVB einholen sollten, muss sich auf dem Vorplatz unseres Wohnhauses noch viel verändern. Es fehlen unter anderem die Bierbuden, die Bühne für eine „Alte Liebe“-Coverband und Dixie-Klos.

Vor zum Finale steht jedoch eine lange Rückrunde. Der Auftakt war überzeugend. Der 3:0-Sieg in Frankfurt war verdient und bewies wieder einmal, dass 96 sich verändert hat. Die Mannschaft lässt die großen Chancen nicht mehr aus. Platz Zwei war vor dem Anpfiff möglich und wurde eingenommen. Das alte 96 hätte so ein Spiel verkrampft verloren, nicht aber diese Slomka-Elf. Die Abwehr stand fest, der Sturm war treffsicher. Hannover gehört tatsächlich zu den Spitzenteams dieser Bundesliga.

So muss die Qualifikation für die Champions League kein schöner Traum bleiben. Seit das einzige Europapokalauswärtsspiel meiner 96-Fankarriere in Bremen stattfand, war ich stets davon überzeugt, dass die Roten bei einer erneuten Teilnahme mit Werder, Wolfsburg und Bielefeld in einer Gruppe landen würden. Letztgenannte kämpfen in der Zweiten Liga ums Überleben und selbst die Grün-Weißen aus der Hafen-bzw. Autostadt werden sich in der kommenden Saison auf die nationalen Wettbewerbe konzentrieren. Die Gegner kämen dieses Mal tatsächlich aus dem Ausland. Die kürzeste Anreise hätte ich nach Madrid. Das liegt wie Bremen auch außerhalb Niedersachsens, doch dieses Mal könnte ich diese Nähe akzeptieren.

In Nürnberg dabei


Manchmal betrachtet der “Fußball von unten” die Bundesliga von oben. Der Zeitpunkt, nach vier Jahren Pause wieder ein 96-Spiel im Stadion zu verfolgen, konnte kaum besser sein. Die Roten hatten zuvor fünf Spiele in Folge gewonnen und belegten für eine Nacht sogar den zweiten Platz. Hannover in der Saison 2010/11 ist nicht der erwartete Abstiegskandidat Nummer 1, sondern gehört zu den Überfliegern. Als Fan reagiert man schon verwirrt. Wo soll das noch hinführen?

Die 1:3-Niederlage in Nürnberg war daher fast ein dankbarer Rückfall in alte Zeiten. Überraschend war sie nicht, denn ich hatte Schuld an dem Debakel. Als Stadionbesucher hatte ich eine von Dieter Hecking trainierte Mannschaft noch nie verlieren sehen. Im August 2006 gewann seine Alemannia Aachen gegen 96 mit 3:0 und im September desselben Jahres siegten seine Roten in Wolfsburg mit 2:1. Meine Serie als Hecking-Glücksbringer setzte sich also fort.

Allzu ernüchternd war das Ergebnis trotzdem nicht, das Event „Auswärtsfahrt mit meinen Lieblingsklub“ stand für mich im Vordergrund. Endlich mal wieder lautstark „HSV, HSV“ zu schreien, endlich mal wieder nicht alleine ein Tor der Roten zu bejubeln, war den ganzen Aufwand wert. Ich hatte längst vergessen, wie schön es sein kann, frühmorgens durch eine verschneite Landschaft zum Peiner Bahnhof zu radeln. Gut, dass die alte 96-Bommelmütze noch passte, weil ich einen Tag zuvor mit der Reise vom sommerlichen Chile ins winterliche Deutschland einen Temperatursturz von gefühlten 96 Grad zu verkraften hatte.
In Hannover bot sich mir das einst gewohnte Bild. Die üblichen Leute schwirrten vor der Abfahrt des Zuges im Bahnhofsgebäude umher, als habe sich in all den Jahren nichts verändert. Es waren nur weniger Bekannte und so begann die Auswärtsfahrt etwas ruhiger. Die Gesprächsthemen waren jedoch diesselben: 96 und der Rest. Es sollte sich den ganzen Tag fortsetzen.

Im Frankenstadion selbst wurde mir vor Augen geführt, dass die Bundesliga wesentlich interessanter als das Gekicke in Chile ist. Die Plätze waren zwar nicht ausverkauft, aber gut gefüllt. Trotz eines mageren Spiels war die Stimmung nett. Es bereitete weit mehr Freude in der 96-Kurve zu stehen als irgendeine Partie der diversen Vereine Concepcións zu verfolgen. Bei den Roten schlägt das Herz eben mit. Leider passte das Ergebnis nicht. Das war aber auf der Rückfahrt schon fast vergessen. Die typisch deutsche Mischung zwischen Fußball und Bier macht selbst graue Spiele bunt. So genoss ich diese Art von Folklore.