Dienstag, 28. Juli 2009

Unterschiede der Liebe


“Du Schuft!” Eindeutig, Maria war sauer. Eine Kaffeetasse flog durch den Flur. Sebastian mochte diesen Moment nicht, weil er diese Reaktion niemals verstehen wollte. „Verflucht, das ist also die berüchtigte heißblütige Latina", dachte er. Vor ihm stand eine Furie, die ihm allerlei unfeine Ausdrücke an den Kopf warf, dabei hatte er nur das getan, was ihm immer wieder passierte. Eine flüchtige Unterhaltung wurde intim und zu guter Letzt in seine Wohnung verlagert. Sebastian liebte Frauen, so auch jene, die nun geschockt halbnackt auf dem Bett neben ihm saß und deren Namen er nicht einmal genau wusste. Melina, Milena oder so etwas.

Er mochte sie nicht nur, weil sie auffällig hübsch war, sondern er hatte sich mit ihr sofort prächtig verstanden. Ein Zulächeln in der U-Bahn hatte den Anfang gemacht. Derartige Situationen ließ der Enddreißiger nie unausgesprochen und verwickelte seine Sitznachbarin ins Gespräch. Nach einem Kaffee landeten sie bei ihm. Für diese Gelegenheiten wohnte er strategisch gut im Zentrum von Santiago und sein aktuellster Eroberungszug verlief wie gewohnt bis Maria hineinplatzte.

Maria war von Anfang bekannt, welchen gesellschaftlichen und kulturellen Austausch ihr deutscher Freund pflegte, zumal er mit seinen blonden Haaren eine kleine Attraktion war. Sie erwartete nicht, die einzige in Sebastians Leben zu sein, aber bislang wurde sie mit seinen galanten Tête-à-Têtes nie direkt konfrontiert. Dieses Mal sah sie ihrer Konkurrenz ins Gesicht und platzte vor Zorn, weil sie sich eigentlich erhofft hatte so etwas wie Sebastians feste Freundin zu sein, immerhin trafen sie sich schon seit zwei Monaten regelmäßig. Das sollte für seine Verhältnisse eine Bindung sein, dennoch enttäuschte er sie wieder: „Wer ist die Schlampe?“ „Hey, bleib mal locker“, reagierte Sebastian genervt von Marias Auftritt, während seine Flirtbekanntschaft sich anzog und die Wohnung verlies. „Zuviel Stress hier! Vielleicht ein anderes Mal“, flüsterte sie ihm noch ins Ohr flüsterte und warf ihm beim Hinausgehen noch einen Kuss zu.

Sebastian wendete sich Maria zu: „Was sollte das jetzt?“ „Das wollte ich dich auch fragen“, konterte sie, allerdings war er sich keiner Schuld bewusst. Natürlich hat er sich in den vergangenen Wochen überwiegend mit ihr eingelassen, aber deswegen hatte sie keine Ansprüche zu vermelden. Maria sah das anders: „Warum rennst du vor einer Beziehung weg?“ Das tue er gar nicht, antwortete er. Er liebe halt alle Frauen und da sei Monogamie unmöglich. „Jetzt soll ich dir zu deinem Erfolg noch gratulieren, oder was?“ Marias Wut kochte wieder auf. „Nein, ich habe keinen Erfolg bei den Damen. Es ist andersrum. Sie haben Erfolg bei mir“, erklärte Sebastian. Er liebe wirklich alle Frauen und müsste auswählen, weil er sich nicht mit jeder treffen könne, selbst wenn es sein Wunsch sei. Maria blickte ihn beinahe verzeihend an: „Wenn ich dich so reden höre, will ich dir das fast glauben.“ Sie resignierte, denn sie resignierte. „Du liebst doch auch Fußball. Warum hast du da eigentlich mit Hannover 96 nur einen Lieblingsverein, obwohl du den ganzen Tag irgendwelche Spiele guckst?“ Sebastian verstand die Frage nicht: „Du willst nicht etwa meine Liebe zu einem Fußballverein mit der Liebe zu den Frauen vergleichen, oder?“