Sonntag, 15. April 2012

Paradies Europapokal


Ich weiß jetzt, wo das Paradies liegt. Nein, nicht in Chile. Landschaftlich ist es gewiss wunderschön und über die Chilenen gibt es sehr viel zu Gutes berichten, aber hier und da sind unparadiesische Details zu erkennen. Zum Beispiel hat Hannover 96 noch nie in diesem Land gespielt, so bleibt zum Paradies ein langer Weg. Anders als meine Wahlheimat war Hannover irgendwie mit dem wundervollen Ort in den letzten Monaten verwachsen.

Dort gab es von August bis April nur noch glückliche Gesichter. Alle Probleme der Welt lösten sich an der Leine in Luft auf. Schlechte Laune? Nein, die hatte keinen Zutritt für Niedersachsens Landeshauptstadt. Sogar auf die Zeit öffnete sich eine bislang unbekannte Sichtweise. Es wurde nicht mehr Sekunden, Minuten oder Stunden gerechnet. Es gab nur noch vor, bei und nach dem Spiel (was wiederum vor dem Spiel ist.) sowie Anpfiff und Abpfiff. Die Urlaubstage waren unaufbrauchbar und Geldsorgen hatte in Hannover sowieso kein Mensch. Keine Reise war zu weit oder zu teuer, jeder war immer und überall dabei. Das Zauberwort hieß „Europapokal“ und war zugleich der Schlüssel zum Paradies.

Europapokal: Ich staunte jedenfalls nicht schlecht, was in den vergangenen Monaten möglich gewesen ist. Meine Freunde pendelten ganz selbstverständlich zwischen Poltawa und Madrid. Alte Flugängste wurden besiegt und alle Grenzen überwunden. Ja, ein bisschen Neid kam in mir auf, denn vom Europapokal hatte ich immer geträumt. Ihnen sei der Trubel gegönnt, sie hatten das in den grauen Jahren verdient. Wenigstens hatte ich es fernab des Geschehens und trotz Zeitunterschieds geschafft fast alle Begegnungen zu sehen. Die Partie in Brügge verfolgte ich sogar direkt am Sandstrand. Auch nett, trotzdem nicht das gleiche wie mit den alten Kumpels in belgischen Kneipen das Spiel auszuwerten.

Selbst vor dem Bildschirm habe ich die Europa League sehr genossen. Die gute Stimmung aus Hannover schwappte über den Atlantik. Der Donnerstag als 96-Spieltag entwickelte längst Routine und der Nebeneffekt mit den Ansetzungen am Sonntag war ebenfalls positiv. Teilweise gab es meinen Lieblingsverein dreimal pro Woche „en vivo“ im südamerikanischen Fernsehen. Da lohnt sich jeder Peso für den Kabelanschluss. Dem Sender Foxsports gebe ich allerdings die Schuld am Zerplatzen der roten Seifenblase. Dreimal strahlte der Kanal 96 aus und dreimal lief es schief.

Die Niederlagen gegen Madrid habe ich schnell abgehakt. Die Roten erreichten mehr als ich erwarten durfte, obwohl ich zwischendurch sogar von der Finalteilnahme überzeugt gewesen bin. Am Ende reichte es nicht, weil Hannover die Kraft ausging. Es bleibt die Hoffnung, dass die Europareisen von 96 fortgesetzt werden. Die Slomka-Elf muss sich in den letzten drei Spielen noch einmal aufrappeln und ist wieder im paradiesischen Europapokal dabei. Nicht nur wegen der internationalen Ehren drücke ich meine Daumen. Neuerdings bin ich auf Sonntagsspiele angewiesen, weil ich samstags arbeite.