Dienstag, 18. Dezember 2012

Fahnenverbote machen Chiles Stadien sicher


Konfettiregen, Feuerwerk, Luftschlangen und Fahnenmeere: Die Stadionatmosphäre in Lateinamerika gilt für viele europäische Fans als paradiesisch. Reisende schwärmen von den Klassikern. In Chile ist es das Duell zwischen dem Rekordmeister Colo-Colo und Universidad de Chile (La U). Die Begegnungen der Erzrivalen sind für Spektakel auf den Rängen bekannt, doch spätestens seitdem der Plan Estadio Seguro (Sicheres Stadion) in Kraft getreten ist, hat der Superclasico viel Attraktivität eingebüßt.
Schon in den vergangenen Spielzeiten wurden die Entfaltungsmöglichkeiten für das Publikum stark begrenzt. Der Gebrauch von Pyrotechnik ist auch in Chile ein großes Thema. Jahrelang wurden Bengalos, Rauchbomben etc. toleriert und in den internationalen Auftritten sogar erwünscht, inzwischen ist das Feuerwerk streng verboten. Bei Gebrauch droht Spielabbruch.
Eintrittskarten gibt es für die Derbys in Santiago nur im Vorverkauf und diese Maßnahme wurde bei den Nachbarschaftduellen der kleinen Provinzvereine ebenso durchgesetzt. Wer zum Beispiel die Partie zwischen Naval aus Talcahuano und Deportes Concepcion verfolgen wollte, musste sein Ticket einen Tag vorher erwerben. Anschließend waren nur 3.800 Zuschauer im Stadion. Es hätte mehr sein können, wären am Spieltag die Kassenhäuschen offen gewesen. Der Zuschauermangel ist jedoch bezeichnend für die Liga. Schuld haben daran eher die hohen Eintrittspreise und das niedrige fußballerische Niveau als ein vermeintliches Gewaltproblem, denn zu Ausschreitungen kommt es im chilenischen Fußball eher selten.
Das sehen die Politiker mit ihren Medien anders und so wurde der „Plan Estadio Seguro“ ins Leben gerufen. Sicher sind in den Kurven der populären Hauptstadtvereine rechtsfreie Räume enstanden. Vor allem mit dem Schwarzmarkt sowie dem Drogenhandel verdienen die Anführer der Barra Bravas von Colo-Colo und La U beim Fußball und seinem Drumherum gut. Mit Übereifer wird allerdings versucht die Gruppierungen aus den Stadien zu bekommen und deshalb alles verboten, was man verbieten kann: Während des Spiels zu stehen, Konfetti, Luftballons, Trommeln usw. Selbst auf die Fahnen haben es die Verantwortlichen des Sicherheitsplans abgesehen. Ihrer Meinung nach würden die Flaggen die Gewalt provozieren, da die Fangruppen versuchten sich gegenseitig ihre Banner abzunehmen. Eine Ansicht, die man im Falle eines Clasicos verstehen kann, aber bei allen anderen Partien Kopfschütteln auslöst, besonders weil kleine Kinder ihre Fähnchen bei der Polizei abgeben müssen.

In der Regel begleiten sowieso nur eine Handvoll Gästefans ihre Mannschaften, was den Polizeieinsatz nicht rechtfertigt. Das Heimpublikum ist unter sich und das Verbot zerstört eine Einnahmequelle der Souvenirhändler. Die Stadien sehen ohne die Transparente trostlos aus. Immerhin halten sich die Hunde nicht an das Gesetz. Auf den Schildern an den Eingängen ist zwar deutlich zu lesen, dass sie nicht geduldet werden. Bislang sind streunende Vierbeiner wie gewohnt selbst bei wichtigen Finalspielen über den Rasen gelaufen.

 

 

Sonntag, 15. April 2012

Paradies Europapokal


Ich weiß jetzt, wo das Paradies liegt. Nein, nicht in Chile. Landschaftlich ist es gewiss wunderschön und über die Chilenen gibt es sehr viel zu Gutes berichten, aber hier und da sind unparadiesische Details zu erkennen. Zum Beispiel hat Hannover 96 noch nie in diesem Land gespielt, so bleibt zum Paradies ein langer Weg. Anders als meine Wahlheimat war Hannover irgendwie mit dem wundervollen Ort in den letzten Monaten verwachsen.

Dort gab es von August bis April nur noch glückliche Gesichter. Alle Probleme der Welt lösten sich an der Leine in Luft auf. Schlechte Laune? Nein, die hatte keinen Zutritt für Niedersachsens Landeshauptstadt. Sogar auf die Zeit öffnete sich eine bislang unbekannte Sichtweise. Es wurde nicht mehr Sekunden, Minuten oder Stunden gerechnet. Es gab nur noch vor, bei und nach dem Spiel (was wiederum vor dem Spiel ist.) sowie Anpfiff und Abpfiff. Die Urlaubstage waren unaufbrauchbar und Geldsorgen hatte in Hannover sowieso kein Mensch. Keine Reise war zu weit oder zu teuer, jeder war immer und überall dabei. Das Zauberwort hieß „Europapokal“ und war zugleich der Schlüssel zum Paradies.

Europapokal: Ich staunte jedenfalls nicht schlecht, was in den vergangenen Monaten möglich gewesen ist. Meine Freunde pendelten ganz selbstverständlich zwischen Poltawa und Madrid. Alte Flugängste wurden besiegt und alle Grenzen überwunden. Ja, ein bisschen Neid kam in mir auf, denn vom Europapokal hatte ich immer geträumt. Ihnen sei der Trubel gegönnt, sie hatten das in den grauen Jahren verdient. Wenigstens hatte ich es fernab des Geschehens und trotz Zeitunterschieds geschafft fast alle Begegnungen zu sehen. Die Partie in Brügge verfolgte ich sogar direkt am Sandstrand. Auch nett, trotzdem nicht das gleiche wie mit den alten Kumpels in belgischen Kneipen das Spiel auszuwerten.

Selbst vor dem Bildschirm habe ich die Europa League sehr genossen. Die gute Stimmung aus Hannover schwappte über den Atlantik. Der Donnerstag als 96-Spieltag entwickelte längst Routine und der Nebeneffekt mit den Ansetzungen am Sonntag war ebenfalls positiv. Teilweise gab es meinen Lieblingsverein dreimal pro Woche „en vivo“ im südamerikanischen Fernsehen. Da lohnt sich jeder Peso für den Kabelanschluss. Dem Sender Foxsports gebe ich allerdings die Schuld am Zerplatzen der roten Seifenblase. Dreimal strahlte der Kanal 96 aus und dreimal lief es schief.

Die Niederlagen gegen Madrid habe ich schnell abgehakt. Die Roten erreichten mehr als ich erwarten durfte, obwohl ich zwischendurch sogar von der Finalteilnahme überzeugt gewesen bin. Am Ende reichte es nicht, weil Hannover die Kraft ausging. Es bleibt die Hoffnung, dass die Europareisen von 96 fortgesetzt werden. Die Slomka-Elf muss sich in den letzten drei Spielen noch einmal aufrappeln und ist wieder im paradiesischen Europapokal dabei. Nicht nur wegen der internationalen Ehren drücke ich meine Daumen. Neuerdings bin ich auf Sonntagsspiele angewiesen, weil ich samstags arbeite.