Mittwoch, 24. September 2008

Bayer Leverkusen - Hannover 96


“Hola Cariño, kommst du mit? Wir machen es uns gemütlich.” Jorge lässt sich von der zu stark geschminkten Frau nicht beeindrucken. Sie wartet mit ihren hautengen Jeans und weitausgeschnittenem Oberteil in einem Hauseingang auf Kunden, doch sie bleiben aus. Die Dame hat ihre besten Zeiten längst gehabt. Make Up und Rouge kaschieren die Erlebnisse ein wenig, jedoch nicht erfolgreich. Potenzielle Freier schlendern nur gelegentlich vorbei, an diesem 19. September verspüren die Männer vorerst eine innige Fleischeslust auf Steaks und Würstchen. Überall steigen die Rauchwolken der Kohlegrills auf. Auch Jorge zieht es zu einem ausgiebigen Essen, das als noch reichhaltigeres Trinken enden wird. „Die Liebe wird der Nachtisch sein“, sagt er sich und verspricht dem veruchenem Häuserblock am Mercado Central eine spätere Visite.

Es ist chilenischer Nationalfeiertag. Die Menschen tanzen und singen, vor allem die typische Cueca, einem beliebten Volkstanz. Jorge trägt dazu eher unpassend ein Trikot von Bayer Leverkusen. Vidal ist auf seinem Rücken zu lesen. Der Abwehrspieler gehört zu seinen Lieblingen, seit er bei Colo-Colo nicht nur in der Defensive für Furore sorgte. „Hey Vidal, geh einen zechen“, fordert ihn ein schwankender Kerl von der anderen Straßenseite auf und zeigt auf die Eingangstür einer Kneipe. „La Piojera“ steht über dem Bogen. Hinter der wenig einladenden Fassade versteckt sich ein Klassiker der chilenischen Hauptstadt. Tagtäglich wird in dieser Taverne die Folklore gelebt. Bier, Pisco und natürlich das berüchtigte Wein-Ananaseis Gemisch „Terremoto“ geben der Stimmung den richtigen Schwung, so dass sich kein Gast lange alleine fühlen muss. Vor allem blonde Touristinnen von der Nordhalbkugel werden schnell von alkoholseeligen Männern umgarnt.

Jorge kommt ebenfalls sofort ins Gespräch. „Hat Arturo heute getroffen?“, fragt ihn ein Fußballfan im blauen Dress. Universidad de Chile steht auf seinem Shirt. Jorge hat keine Ahnung. „Ausgewechselt wurde dein Held“, erklärt ihm der Blaue und meint, dass dies typisch für Colocolinos sei. Versagen sei bei denen vorprogrammiert. Das ist zwar nicht richtig, aber der La U-Anhänger kann den Mund derzeit vollnehmen, seine Elf steht auf Platz Eins der Tabelle.

Der chilenische Leverkusener ist solche Provokationen längst gewöhnt. Zwei Wochen vor dem Aufeinandertreffen der beiden Erzrivalen Colo-Colo und La Universidad de Chile gehören sie zum Alltag und Jorge teilt auch gerne aus, zumal sein Team Rekordmeister ist: „Wenigstens sind unsere Spieler im Ausland gefragt, das kannst du nicht behaupten.“ An dem Tisch entsteht eine leidenschaftliche Diskussion über die Vorherrschaft in Santiago, Beschimpfungen bleiben nicht aus und am Ende siegt der Durst. „Wir brauchen neues Bier, Vidal.“ Jorge stimmt zu und bestellt. Wie hat Leverkusen überhaupt gespielt“, will er von Saufkumpanen wissen. „4:0 gegen Hannover gewonnen,“ antwortet dieser und schenkt ein.

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