Von "Mufa" und "Mufazos" ist im chilenischen Fußball die Rede, wenn rund um eine Partie ein Unheilsbringer auf der Bildfläche erscheint. Beispielsweise rannte vor dem Halbfinale der Copa Libertadores zwischen La Universidad de Chile und den Chivas aus Guadalajara ein schwarzweißer Hund über das Spielfeld. Schwarzweiß sind die Vereinsfarben von La Us Erzrivalen Colo-Colo. Jedem Zuschauer im Stadion war sofort bewusst, dass die Blauen die Begegnung verlieren würden. So kam es auch.
Selbst bei mir schleicht sich trotz aller Vernunft regelmäßig eine Liste diverser Glücksbringer und Rituale ein, damit mein Lieblingsverein gewinnt. Leider tauchen ebenso Pechvögel auf, dabei versuche ich sie auszuschließen, doch es gelingt mir nicht immer. Die "Mufa" ist überall, sogar im Geschirrregal. So habe ich eine 96-Tasse, die ich vor vielen Jahren auf dem hannoverschen Weihnachtsmarkt gekauft habe. Nehme ich sie an Spieltagen selbst aus dem Schrank, hat es kaum Einfluss auf den Ablauf. Manipulation ist mir trotz aller Bemühungen bislang nicht gelungen. Ich trinke eigentlich gewöhnlich aus eben jenem Becher, obwohl ich auch einen anderen mit 96-Wappen besitze. Wirklich entscheidend auf das Ergebnis ist dagegen, zu welcher Tasse meine Frau greift, wenn sie am Spieltag den Kaffee zubereitet. Wählt sie das fast antike Stück, ist ein Sieg der Roten garantiert. Das wurde zuletzt beim 2:1 gegen den 1. FC Köln wieder einmal bewiesen. Ich kann ein solchen Momenten geradezu gelassen die 90 Minuten verfolgen.
Eigentlich gar nicht anzuschalten brauche ich den Fernseher bzw. Computer, wenn sie ein anderes Trinkgefäß auf den Frühstückstisch stellt. Vor dem Auftritt gegen die TSG Hoffenheim servierte Verónica den Kaffee in einer Che Guevara-Tasse. Mein Optimismus verschwand sich dabei zusehends. „Schade, 96 wird heute verlieren“, begründete ich den Stimmungsumschwung. „Wieso das denn auf einmal?“, wollte sie wissen. Sie hat inwischen geradezu eine Perfektion darin entwickelt, Interesse und Verständnis für meinen Fanatismus zu zeigen, also lässt sie mich meine Vorahnung erklären: „Nun, ich trinke aus einem Che Guevara-Becher und in wenigen Minuten fängt das Spiel an. So kann das doch nichts werden.“ Meine Frau stimmte mir zu. Der Argentinische Rebell mag sich zwar um alles und jeden gekümmert haben, doch 96 dürfte ihm ganz bestimmt gleichgültig gewesen sein. In keiner einzigen Biographie wurde jemals eine Verbindung zwischen dem lateinamerikanischen Volkshelden und der hannoverschen Fußballriege erwähnt. Logischerweise pessimistisch verfolgte ich daraufhin die Live-Übertragung von Hoffenheim vs. 96. Die 4:0-Niederlage kam wie erwartet.
Eine Woche später wollte Verónica alles richtig machen und goss mir den Kaffee in eine 96-Tasse. Leider war es nicht die richtige. Immerhin zierte das Wappen den Becher, ein Unentschieden wurde daher nicht ausgeschlossen. Borussia Dortmund stürmte aber von Anfang an los und zerstörte alle Hoffnungen. Wieder endete es 0:4 aus meiner Sicht. Die Tabellenspitze rückt außer Sichtweite. Der Aberglaube sollte langsam wieder in die Abteilung Unfug wandern. „Mufa“ – Da stehe ich doch drüber, aber zum Glück kommt das Mainz-Spiel zu einer Zeit, in der man schon schamlos ein Pils trinken darf. Ich habe nur ein Bierglas der Roten. Da kann nicht viel schief laufen.
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