Donnerstag, 28. Oktober 2010

Gegen Bayern München


Dass Chilenen mit Fanartikeln von Bundesligavereinen herumlaufen, ist keine Seltenheit. Meist sind es Trikots der populären Vereine aus Dortmund und München, gelegentlich sind es auch Souvenirs einer Deutschlandreise. Hertha BSC hat zum Beispiel einen Absatzmarkt in Südamerika. Anti-Schals tauchten bislang nicht auf. Es passte daher ganz gut, wenige Tage nach dem 96-Spiel gegen den Rekordmeister einen „Scheiss FC Bayern“-Schal zu entdecken. Ich lobte den Träger für diese Entscheidung, wenngleich mir die Münchner sonst völlig egal sind. Das 0:3 war jedoch noch frisch und in Zeiten ungewohnter Tabellenhöhen schmerzen Niederlagen mehr als sonst.

Der Angesprochene reagierte verdutzt und erklärte, er wäre großer Fan des FCB. „Nun, dein Schal sagt das aber nicht gerade aus“, behauptete ich. „Doch, doch. Ein Freund hat ihn vor ein paar Jahren mir aus München mitgebracht“, versicherte er mir. Ein guter Freund, dachte ich und übersetzte dem armen Hund erstmal, was er da seit Jahren ahnungslos getragen hatte. In dem Moment erwürgte er in Gedanken gerade seinen Kumpel. Die landestypischen Beleidigungen sprudelten geradezu aus seinem Mund.

Ein wahrer Fan schien er allerdings nicht zu sein, wusste er nicht einmal, wie das Spiel gegen die Wunderelf aus Hannover ausging. Als ich mir noch einen Scherz erlaubte und meinte, Mario Gomez hätte man ruhig in der San Jose Mine lassen sollen, gab es nur ein gequältes Lächeln. Über Nationalhelden wird in Chile nicht gelästert.

Donnerstag, 7. Oktober 2010

Saisonauftakt


Mit einer Niederlage startet „Fußball von unten“ in die neue Saison. Hannover 96 hingegen lieferte ordentliche Leitungen ab. Um auf den aktuellen Stand zu kommen, gibt es einen Schnelldurchlauf.

St. Pauli nur halb zuhause.

„Profe, jetzt habe ich beim Spielen mein Mittagessen völlig vergessen. Ich mach das noch schnell“ erklärte mir mein Nachhilfeschüler. „Nein, jetzt nicht mehr“, wollte ich ihm entgegnen, doch er war längst wieder verschwunden. Es kommt häufiger vor, dass Kinder nicht wissen, wann sie mit ihrer Träumerei die Geduld der Lehrer strapazieren. Der Junge ahnte nicht, wie eilig ich es hatte. Ich war mit meinen Gedanken weniger beim Unterschied zwischen „some“ und „any“ als in der Bundesliga. Fernab von Concepción sollten sich historische Dinge ereignen. Erstmals in meinem Fanleben hätte 96 Zweiter werden können. Obwohl die Begegnung im Fernsehen übertragen wurde, konnte ich sie nicht komplett verfolgen. Freitags 14.30 Uhr ist irgendwie keine fangerechte Anstoßzeit, doch wäre dieses versäumte Mittagessen nicht gewesen, hätte ich es sogar bis zum ersten Ballkontakt nach Hause geschafft. So aber war ich erst in der zweiten Halbzeit dabei. Die Vorzeichen waren schlecht, insofern überraschte mich die 0:1-Niederlage gegen den Aufsteiger nicht.

Was zuvor noch geschah

Frankfurt zum Auftakt

Als Topkandidat für das Tabellenende wurde 96 zu Saisonbeginn eingestuft. Auch die Experten der lateinamerikanischen Sportsender verbreiteten diese Prognosen, so dass selbst fußballbegeisterte Freunde davon erfuhren: „Das wird wohl bitter für dein Team, was?“ Ich klärte sie auf, dass 96 alle zwei-drei Jahre auf der medialen Abschusslite stünde und am Ende doch 11. werde.

Ich war jedenfalls froh, die Bundesliga endlich wieder bei mir zu haben. Die Wochenenden fühlen sich so leer ohne Fußball an. Mein Stadion war das gleiche wie in der Vorsaison: die Wohnung. Das Arbeitszimmer verwandelt sich wieder in den Fanblock und alles vermisste kehrte zurück. Das 2:1 war ein ideales Comeback der samstäglichen Routine.

Auf Schalke im Fernsehen

Einen großen Sieg von Schalke 04 erwarteten die Kommentatoren von golTV. Schalke sei schließlich ein Titelaspirant mit dem Spanier Raúl, Hannover hingegen nur ein Fastabsteiger. Der Sender sollte es besser wissen. 96 spielt häufig fernsehtauglich gut, wenn die Mexikaner „en vivo“ dabei sind. Am 2. Spieltag traten die Roten geradezu goldig auf. Mit dem erneuten 2:1 waren sie sogar noch gnädig. Was soll’s? Drei Punkte mehr für die vermeintlichen Kellerkinder und mein Sohn kann seitdem sechsundneunzig sagen. Zugegeben, es klingt eher nach „neunssssich“.

Aspirin an Bord
Sollte der Sprung auf Platz Eins tatsächlich gelingen? Ich kündigte meiner Frau an, eine solche Tabelle auf Diegos Rücken zu tätowieren. Diese war von der Idee weniger angetan und drückte deshalb den Bayer die Daumen. Nadel und Farbe wurden zu ihrer Freude nicht benötigt. Hannover 96 erreichte im Kampf um die Tabellenspitze nur ein 2:2 gegen Leverkusen, davon erfuhr ich erst einen Tag später. Ich befand mich zur Anstoßzeit irgendwo über dem Pazifischen Ozean. Während unter mir nichts als Blau zu sehen war, verschenkten die Roten auf dem heimischen Grün eine 2:0-Führung.

VfL Wolfsburg unter Palmen
Bundesligafußball findet für mich eigentlich zum Frühstück statt, die Partie gegen Wolfsburg war ungewohnterweise ein Betthupferl vor dem Einschlafen. Nicht im chilenischen Concepción, sondern im australischen Port Douglas verfolgte ich das Nachbarschaftduell. Ich musste feststellen, dass es samstagnachts bessere Amusements als durchwachsene Radioübertragungen von 96-Niederlagen gibt.
Werder Bremen vor Sonnenaufgang

Die Partie gegen die Bremer war wieder einmal der Beweis, dass 96 fest in meinem Biorhythmus verankert ist. Um vier Uhr morgens wurde das Spiel angepiffen und ich benötigte nicht einmal einen Wecker, um rechtzeitig aufzuwachen. Pünktlich zum Anstoß war ich online und ließ mir von den hannoverschen Toren das Morgengrauen versüßen. Ein 4:1 gegen Werder Bremen? Normalerweise geht es andersrum aus.
Kaiserslautern zurück auf meinem Sofa
Zwischen Sydney und Concepción liegen 14 Stunden Zeitunterschied. Ich war am Vortag in meinem Wohnort gelandet und dementsprechend vom Jetlag geplagt. War es morgens oder nachts? Egal, golTV empfing mich mit einer Live-Übertragung. So gab es ein ruckelfreies Bild von einem holprigen 1:0, was 96 in die Champions League Ränge brachte.